Kann Celitement schon in industriellen Mengen produziert werden, bzw. wie weit ist der Weg bis zu einer industrielle Herstellung?

Wenn man den Begriff „Industriemengen“ mit einer, für Baustoffe sicher nicht riesigen Jahrestonnage von 50.000 Tonnen gleichsetzt, könnte man diese Menge produzieren, wenn sich ein Lizenznehmer bereit erklärt in eine solche industrielle Anlage zu investieren. Wir sind dabei, zusammen mit Maschinen- und Anlagenbauern, eine erste industrielle Referenzanlage in dieser Größe zu planen.

Kommerziell verfügbare Mengen an Celitementen setzen eine kostspielige industrielle Produktionsanlage voraus. Die Entscheidung zum Bau einer solchen Anlage ist aber noch nicht gefallen.

Grundlage jeder Investitionsentscheidung in eine, wir nennen es erste industrielle Referenzanlage um sie von der bestehenden Pilotanlage zu unterscheiden, sind drei Meilensteine:

– Ein belastbares, von Anlagenbauern und Herstellern der benötigten Technik abgesichertes, Maschinen- und Anlagenkonzept. Dieses kann erst fertiggestellt werden wenn die gesamte Maschinen- Verfahrens- und Leittechnik, die Lager- und gebäudetechnische Infrastruktur einer Industrieanlage, sowie die passenden Konzepte zur Produktions- und Qualitätssicherung vollständig definiert sind. Da sind wir auf sehr gutem Weg, sozusagen im „Endspurt“ aber eben noch nicht ganz fertig.

– Damit neue Stoffe auf den Markt gebracht werden dürfen, müssen sie alle chemikalienrechtlichen Voraussetzungen (REACH-Registrierung) erfüllen. Das haben wir 2018 geschafft.

– Das Produkt muss technologisch und auch preislich marktfähig sein, damit schon unmittelbar nach Inbetriebnahme einer Industrieanlage das Produkt sofort von potentiellen Abnehmern in größeren Mengen praktisch eingesetzt werden kann. Dieser Prozess, die Marktvorbereitung, ist noch nicht abgeschlossen. Wir arbeiten hierzu mit zahlreichen sog. Innovatoren aus unterschiedlichsten Anwendungsbereichen, zusammen. Selbst die Entwicklung „einfacher“ Putzsysteme auf Basis neuartiger Zemente, kann beim Hersteller leicht 12-18 Monate dauern. Diese Vorarbeiten müssen also bereits abgeschlossen sein wenn die Industrieanlage beginnt zu produzieren.

Alle drei Mindestanforderungen zu erfüllen ist, für die Entwicklung eines vollständig neuen Bindemittelsystems, ein langwieriger und teurer Prozess.

Wir betreten dabei in vielen Bereichen völliges Neuland. Das sind, bildlich gesprochen, wirklich dicke Bretter die hier gebohrt werden müssen. Man benötigt, speziell im Baustoffbereich, einen wirklich langen Atem für solche Neuentwicklungen.

Zunächst sind nämlich immer relativ große Investitionen in Maschinen und Anlagen notwendig um überhaupt in die großtechnische Baustoffentwicklung, oder später in eine Produktion, einsteigen zu können. Erst mit der Inbetriebnahme unserer Pilotanlage Ende 2011 konnte damit begonnen werden, das zuvor nur im Labormaßstab erprobte Herstellungsverfahren bis zur industriellen Reife weiter zu entwickeln. Der technologisch aufwändigste und anspruchsvollste Verfahrensschritt ist dabei die mechanochemische („tribochemische“) bzw. Aktivierungsmahlung.

Die Auswahl der dafür optimalen Mahltechnik erforderte sehr umfangreiche und extrem zeitaufwändige Vorversuche mit unterschiedlichsten Mahlsystemen. Erst im Jahr 2013 wurde dann eine sog. Rohrschwingmühle in der Pilotanlage installiert. Diese wurde gewählt, weil dabei sehr flexibel der Energieeintrag, die Belastungsdauer und die auch Belastungsart, variiert werden kann. Damit konnte dann erstmals auch Testmaterial in größeren Mengen (ca. 100kg pro Tag) hergestellt und auf seine Produkteigenschaften in der Praxis geprüft werden. Mittlerweile haben wir das endgültige, auch für die Industrieanlage vorgesehene Mahlsystem, identifiziert. Im Rahmen einer Erweiterung der Pilotanlage soll ein solches System nun in die Pilotanlage integriert werden. Damit ist die wichtigste Komponente des Celitement-Herstellungsprozesses nun ebenfalls endgültig definiert. Die Auslegung und das vergabereife Engineering für die gesamte industrielle Referenzanlage sind weit fortgeschritten aber noch nicht endgültig abgeschlossen.

Können klassische Zementwerke zukünftig auch Celitement produzieren?

Man kann Celitement nicht mit der Anlagentechnik vorhandener Zementwerke produzieren. Was aber sehr wohl Sinn macht ist die Integration von Celitement Anlagen in bestehende Zement- oder auch Kalkwerke um die dort bereits vorhandene Infrastruktur (Steinbruch, Versand, Warenannahme, Magazin, Werkstatt, Laborkapazität, Verwaltung, etc.) zu nutzen. Wir gehen davon aus das eine erste industrielle Anlage eine sog. „Brown-Field“ Anlage sein wird, also in einen bereits bestehenden Produktionsstandort für Bindemittel integriert wird. Sogenannte „Green-Field“ Anlagen, die in allen Bereichen völlig autark sind, dürften erst zu späteren Zeitpunkten realisiert werden.

Mit welcher Produktionsmenge ist der kommerzielle Markteintritt von Celitement geplant?

Die erste industrielle Referenzanlage ist für eine maximale Jahreskapazität von 50.000t Celitement geplant und ausgelegt worden. Diese Auslegungskapazität wurde u.a. nach Auswertung einer Marktrecherche gewählt. Nach Erreichen der industriellen Betriebsbereitschaft kann mit einer solchen Anlage möglichst rasch eine hohe Auslastung und somit ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlage sichergestellt werden. Auch die technische Skalierbarkeit auf noch größere Lizenzprojekte ist ab einer solchen Anlagengröße gesichert.

Wann ist mit der Inbetriebnahme einer industriellen Produktionsanlage für Celitement zu rechnen?

Nach Inbetriebnahme der Erweiterung unserer Pilotanlage und entsprechend positiver Rückmeldung der dann mit größeren Materialmengen möglichen Produktionsversuche bei ausgewählten Innovatoren, kann relativ rasch über die Investition in eine erste Industrieanlage entschieden werden.
Eine etwa zweijährige Bau- und Inbetriebnahmephase vorausgesetzt, ist mit einem Markteintritt aber nicht vor 2024 zu rechnen. Zur Erläuterung der einzelnen Entwicklungsstufen, von der ersten Idee bis zur endgültigen industriellen Umsetzung, sei nachstehend auf die dafür geläufige Bezeichnung des technologischen Reifegrades (Level) verwiesen. Die in Klammern angegebenen Zahlen stellen den jeweils in Anspruch genommenen Zeitraum als Zeitstrahl dar:

Level 1: Beobachtung des Funktionsprinzips (1994-1996)
Level 2: Beschreibung von Produkt/Technologie (1997-2000)
Level 3: Funktionsnachweis von Produkt/Technologie (2001-2004)
Level 4: Versuchsaufbau im Labormaßstab (2005-2008)
Level 5: Planung/Ausbau der Pilotanlage (2009-2013)
Level 6: Versuchsbetrieb an der Pilotanlage (2014-2017)
Level 7: Regelbetrieb der Pilotanlage (2018-2021)
Level 8: Projektierung/Aufbau/IBN erste industrielle Referenzanlage (2024-2026)
Level 9: Regelbetrieb dieser Referenzanlage und weitere Lizenzvergaben (ab 2026)

Warum plant man mit ca. 50.000 jato zunächst nur eine relativ kleine erste industrielle Referenzanlage für Celitement?

Die Absicherung, Skalierung und Übertragung des Herstellverfahrens für ein komplett neuartiges Bindemittel setzt, aufgrund der vielfältigen technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, eine stufenweise Herangehensweise voraus. Die Anlagengröße von 50.000 jato stellt dabei einen guten Kompromiss zwischen CAPEX und OPEX Kosten dar. Kleine Anlagen, die nur aus Komponenten und Bauteilen mit Sondergrößen bestehen u.U. sehr individuell gefertigt werden müssen, haben sehr hohe spezifische CAPEX-Kosten. Es ist besser Maschinen- und Anlagentechnik einzusetzen die am Markt bereits etablierten Baureihengrößen entsprechen. Zudem müsste man für einen erneuten Skalierungsschritt wahrscheinlich ganz neu auslegen. Eine 50.000 jato Anlage erlaubt den Einsatz von, im Prinzip beliebig hochskalierbaren, Einzelaggregaten. Aufgrund der fehlenden bauaufsichtlichen Zulassung für Celitement kann dieses Bindemittel zudem nicht sofort in Konstruktionsbetonen eingesetzt werden. Es fehlen somit schlicht die wichtigste Massenanwendung. Die gewählte Produktionsmenge ist aber für die Summe aller anderen geplanten Anwendungen ausreichend. Zu groß zu planen ist zu riskant, eine zu kleine Anlage wird Kundenanforderungen aber möglicherweise nicht ausreichend bedienen können.

Was ist der Unterschied zwischen der sog. Pilotanlage und der industriellen Referenzanlage?

Wir bezeichnen die 2011 fertiggestellte Anlage auf dem Campus Nord des KIT in Karlsruhe als „Pilotanlage“. Sie ist nicht dafür konzipiert, industrielle Mengen an Celitementen zu produzieren. Dies soll mit der „industriellen Referenzanlage“ erfolgen. Während die Pilotanlage also schon existiert, ist die Entscheidung zum Bau einer „industriellen Referenzanlage“ noch nicht gefallen.

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