Ja, Celitemente können mit bekannten Markenprodukten unterschiedlicher Hersteller verflüssigt und ausgesteuert werden. Da diese Produkte aber meist auf klassische Portlandzemente hin optimiert wurden, sind die notwendigen Dosierungen teilweise höher als üblich.
Ein großes Bauteil oder ein Gebäude haben wir damit noch nicht hergestellt. Dafür reichen die Mengen aus der bestehenden Pilotanlage auch gar nicht aus. Ein Kubikmeter Beton enthält immerhin etwa 300 kg Zement. In unserer Pilotanlage stellen wir derzeit pro Tag etwa 1.000 kg Celitement her. Aber wir haben natürlich durchaus schon etwas größere Praxisversuche, z.B. in Werken die Betonwaren herstellen, durchgeführt. Ein Muster aus der Pflastersteinproduktion liegt übrigens vor unserem Hauptgebäude, das auch die Pilotanlage enthält. Für diese Versuche wurde schon mehr als 1 t Material benötigt. Von daher ja, wir haben Celitement erfolgreich eingesetzt, industriell aber leider nur in ersten „Tastversuchen“ was den bislang noch sehr begrenzen Mengen geschuldet ist. Das wird sich nach Abschluß der Erweiterung aber ändern.
Das kommt auf die Anwendung an. Wenn mit der Baupraxis die Betonage eines Hauses, einer tragenden Decke oder eines Tragbalkens aus Beton (ein sog. Binder) gemeint ist, leider nein. Celitement ist kein genormtes Bindemittel, also kein Zement nach EN197. Wo Leib und Leben betroffen ist oder bei hohen Anforderungen an die langfristige Dauerhaftigkeit, hat der Gesetzgeber strenge baurechtliche Regelwerke eingeführt. Diese basieren üblicherweise auf Normzementen. Es gibt aber zahlreiche andere Anwendungen in denen geringere oder sogar keine normativen Anforderungen an das Bindemittel bestehen oder die nicht explizit Portlandzement als Binder fordern. Dazu gehören Betonwaren, Fliesenkleber, Faserzementplatten, Porenbeton etc. Wir haben insgesamt 20 Bereiche oder Anwendungsfelder identifiziert, bei denen Celitement sofort zum Einsatz kommen könnte. Wenn die erste industrielle Anlage produziert, wird man für das dort hergestellte Produkt für weitere Anwendungen bauaufsichtliche Zulassungen erwirken können. Dies kann national oder europäisch erfolgen, dauert aber mindestens 2-3 Jahre ab Antragsstellung.
Ja, Celitement kann wie ganz normaler Zement auch zur Herstellung von Stahlbeton eingesetzt werden. Der Hintergrund dieser Frage ist wahrscheinlich der, aufgrund des verringerten Kalziumgehaltes abgesenkte, pH-Wert in der Porenlösung von Celitementen. Es wird häufiger die Befürchtung geäußert, dass dieser für ein kalziumarmes Bindemittel wie Celitement zu niedrig ist, um die sichere Passivierung des Bewehrungsstahls zu gewährleisten. Der pH der Porenlösung von Celitementen liegt mit Werten zwischen pH 11,5-12,5 zwar durchaus niedriger als bei Portlandzement, ist aber immer noch ausreichend für eine Passivierung. Abhängig vom Anteil des nicht immer vollständig umgesetzten Rohstoffs Portlandit [Ca(OH)2], kann der pH-Wert etwas schwanken. Bei Wunsch könnte er durch einfache Zugabe von Branntkalk oder Alkalihydroxiden zudem auf jeden gewünschten Wert angehoben werden. Wir denken aber das dies überhaupt nicht nötig ist. Die für eine Depassivierung von Bewehrungsstahl verantwortliche Karbonatisierung ist nämlich eine betontechnologische Dauerhaftigkeitsgröße. Wenn ein Beton ausreichend dicht und für Gase und Wasser damit nur wenig permeabel ist, kann auch kein CO2 bis zum Bewehrungsstahl vordringen.
Mit Celitementen können aber extrem dichte und damit auch in Sachen Karbonatisierung sehr dauerhafte Betone hergestellt werden. Man kann das ggf. mit UHPC-Betonen vergleichen, bei denen durch den Zusatz von hochreaktivem Siliziumdioxid in Form von z.B. Mikrosilika, möglichst viel überschüssiges Ca(OH)2 zu C-S-H-Phase umgesetzt wird. Das senkt den pH der Porenlösung ebenfalls auf ähnlich niedrige Werte wie bei Celitement ab. Da Celitemente sehr viel und sehr reine C-S-H Phasen ausbilden, die zudem nur wenig durch die Morphologie andere Phasen gestört ist, kann das Porensystem bei richtig gewähltem w/z-Wert extrem dicht ausgebildet werden. Dies zeigen zahlreiche elektronenmikroskopische Aufnahmen. Durch einen immer noch ausreichenden pH-Wert und gute Betontechnologie sehen wir daher keinerlei Einschränkungen für Celitemente was den Einsatz in Stahlbeton anbetrifft. Die Passivierung von Betonstahl bzw. der Aufbau einer oxidischen Schutzschicht, hängt nach neuer Forschung zudem ganz wesentlich von der Art der den Stahl schon im frühen Betonalter umgebenden Zementsteinmatrix, bzw. der Morphologie der C-S-H Phasen ab. Hier kann Celitement möglicherweise sogar ähnliche Vorteile haben wie sie mit der Zugabe von Microsilica erreicht werden können. Vergleichende elektrochemische Untersuchungen zur Passivierung von Bewehrungsstahl werden noch durchgeführt. Ganz abgesehen davon kann ein etwas niedriger pH-Wert der Porenlösung für alternative Bewehrungskonzepte sogar durchaus positiv sein. Holz- und cellulosebasierte Bewehrungskonzepte oder auch preiswertere Varianten von Glasfaserbewehrung, könnten mit Celitmenten sogar einfacher und dauerhafter realisiert werden als mit hochalkalischem (> pH 13) Portlandzement.
Seit die Mühle in der Pilotanlage Ende 2013 in Betrieb gegangen ist, haben wir pro Jahr ca. 10 Tonnen der unterschiedlichsten Celitemente oder ihrer Zwischenprodukte produziert. Mit Inbetriebnahme der dritten Erweiterungsstufe unserer Pilotanlage sind wir nun in der Lage, den Bedarf an Versuchsmaterial unserer derzeitigen Innovatoren in Höhe von etwa 100 Tonnen für 2022/23 zu produzieren. Aber eben über einen sehr langen Zeitraum und mit sehr vielen unterschiedlichen Prozessparametern und Rezepturvarianten. Im sogenannten Regelbetrieb, bei dem wir über einen längeren Zeitraum versuchen sehr gleichmäßig immer das gleiche Material zu produzieren, stellen wir üblicherweise etwa 2 Tonnen „am Stück“ her.